Background

Zu Gast bei 


Er war etwas wirr, unser Besuch bei den Jungs und Mädchen von „Old Cars Young Blood“. Doch das eine oder andere Foto konnten wir ergattern. Vorhang auf für Steffens freshen 32er Passat und den Golf 2 von Marcella, der Dame des Hauses – oder besser der Halle?


War das eine chaotische Tour. Ich habe schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass wir an dieser Halle im Nirgendwo aufschlagen würden, denn nach einer Vollsperrung auf der Bahn standen wir erst mal ne ganze Weile. Man glaubt es kaum. Trotz tausender Autobahnkilometer mein erstes Mal in einer Vollsperrung. Erinnerte irgendwie an Szenen aus einschlägigen Endzeitfilmen und so vertrieben wir uns mit viel Spinnerei die Zeit. Während wir also mehr oder weniger fröhlich im Stau steckten (meinem Fahrer hat das weniger Spaß gemacht, da er kein Bier dabei hatte), schmorten in einer Halle ein paar nette Leute und glaubten schon nicht mehr so recht an unser Erscheinen.
So wunderte es uns auch nicht, dass statt des 73er Passat mitten in der Halle ein 35i(iihh) stand, der auf eine Lackierung wartete. Steffen wollte gerade mit dem Abkleben beginnen, als wir hereinplatzten.
Dann ging aber alles ganz locker von der Hand. Unsere Verspätung war schnell vergessen und der Pampersbomber tauschte seinen Platz in der ersten Reihe mit dem Oldtimer. Und der war mal richtig nach meinem Geschmack. Mit Stolz trägt er seine Blessuren, Narben und andere Kampfspuren: Hier und dort ausgebessert, ein unlackierter Kotflügel, ein paar Dellen und Kratzer. Halt alles, was so ein bewegtes Autoleben mit sich bringt. Aber er war nicht verlottert. Man sah ihm sofort an, dass er gepflegt und gehütet wird. Und da der Schesen bereits seine beinahe 40 Jahre auf dem Buckel hat, wurde er eben nicht erst seit Gestern so behandelt.
Steffen hat den Volkswagen vor zwei Jahren in einem großen Onlineauktionshaus aufgetan. Laut Brief stand das Auto davor 10 Jahre und hat das große Glück gehabt, seine ersten Dekaden von ein und der selben Hand gehütet zu werden. Zwischendurch sollte er von einer dritten Partei restauriert werden, was diese aber verwarf und ihn dann zum Verkauf anbot. Und dann stand er halt eines Tages vor der Tür von „Old Cars Young Blood“.
Wenn man die Form mit einem Mercedes, Ford, BMW oder Opel aus diesen Tagen vergleicht, stinkt so ein Passat leider gnadenlos ab. Sorry Steffen. Aber dafür hat er etwas ganz eigenes. Einerseits extrem bieder, andererseits sogar spannend. Und wenn man sich die Form im Detail ansieht, entdeckt man seine Highlights. Am besten gefällt mir die dicke C-Säule mit den scharf ausgeschnittenen großflächigen Fenstern. Und man bemerkt ganz schnell, dass das Auto damals auf der Höhe seiner Zeit war. Genau die gleichen Details entdeckt der Betrachter bei Exoten wie Lotus oder Lamborghini. Glatte, gespannte Flächen, scharfe Linien und große Fensterflächen. Eigentlich ein richtiger Sportwagen! Nein, so weit wollen wir dann bei dem mit werksseitig 55PS ausgestatteten Boliden doch nicht gehen.
Viel Arbeit hatte sein Besitzer übrigens nicht mit dem Auto. Ein Blech musste eingeschweißt und eine Sicherung erneuert werden, dann kam der obligatorische Ölwechsel. Das reichte für knappe 20 000 Kilometer Fahrspaß alleine in der Saison 2011. Und das ohne Mucken. 2012 wurde wieder ein großer Service durchgeführt. 
Der 1,3 Liter Motor wollte neue Zündkerzen, neues Öl und 'nen neuen Zahnriemen. Die Bremsen sowie das Vierganggetriebe wurden ebenfalls mit neuen Betriebsmitteln ausgestattet. Kleine Designelemente konnte sich Steffen natürlich auch nicht nehmen lassen. So wurde zB auf den Scheiben ausgiebig beklebt, ein kleiner Dachgarten mit Kram aus der Epoche des Fahrzeugs angelegt und in den Kühlergrill zwei gekreuzte Ventile, sozusagen als Mahnmal für die Anderen, eingelassen.
Allerdings machte Steffen dieses Jahr eine weniger schöne Entdeckung. Unter der Gummifußmatte blüht der Gilb. Aber da wird er sicherlich auch noch eine Lösung finden.
Kommen wir zum Golf von Marcella. Sie ist Künstlerin. Genauer gesagt Tattoowiererin. Und an ihrem Golf bin ich erst mal vorbeigegangen. Ganz schön dumm von mir. "Naja, halt mal wieder son Golf 2" hab ich mir ehrlich gesagt gedacht. Dabei ist er nach dem gleichen Prinzip wie meine eigene Karre aufgebaut. Auf den ersten Blick ziemlich "Stock" wie der Kenner sagen würde, doch an vielen Ecken und Enden dezente bis - wenn man sie denn entdeckt hat - richtig auffällige Details verbaut.
Das coolste – und ich glaube kaum das ich das sage - war die Basskiste im Kofferraum. Nicht einfach so'n dümlicher mit Filz bespannter Pressholzwürfel, sondern dezent und stilvoll in einen uralten Koffer eingelassen. Solche Dinge begeistern mich einfach, da man zwei Mal hinsehen muss um den Gag zu erkennen.
Ebenfalls schön fand ich die passende Individualisierung des Schaltknaufs. Eine schöne, alte Spulen-Tattoo-Maschine (die, die noch mit Elektromagneten laufen und dieses mehr oder weniger schöne Rattergeräusch von sich geben) ziert die Spitze des Gangwählhebels. So muss die Wagenlenkerin selbst beim Auto fahren nicht ganz von ihrer Lieblingstätigkeit ablassen!
Die Front hat dann ein paar schmucke Details in Form eines gelben Zusatzscheinwerfers und eines selbsgemachten Stickerbombings erhalten. Die Tellerminenfelgen noch farblich abgesetzt, den Wagen durch ein Gewindefahrwerk bodennah abgelegt, so dass die standard Rad/Reifen-Kombination trotzdem sehr schön wirkt und fertig war der zwar individuelle aber nicht überladene Alltagsschlitten. An sich genau richtig. So hat man das Gefühl nach Hause in sein Revier zu kommen aber es glotzt einem auch nicht jeder Depp hinterher wie Kühe einem Zug.

Text/Bilder: CW
Gegengelesen: DRB

Essen Motor Show 2012

Kevin lädt zum Tanz

 Sie haben Stil, sie sind jung und sie sehen super aus. Für alle Kevins dieser Welt und alle, die an Kevins Welt interessiert sind, ist die Motor Show in Essen einfach ein Muss! Und so sind wir da natürlich auch mal hingefahren. Man muss ja auf dem Laufenden bleiben.


Wie das Intro schon vermuten lässt, gibt es Solche und Solche. Die Einen rennen mit stolz geschwollenem Bizeps durch die Hallen, geschultert haben sie eine Monsterface Stoßstange für ihren Polo 6n, und der Andere steht ratlos daneben und fragt sich, was das alles soll. Und dann gibt es die, die sich das Spektakel als Gesamtes einfach antun wollen.

So ging es mir. In den letzten Jahren habe ich es aus Langeweile nicht geschafft, auf die EMS zu gehen, doch dieses Jahr musste es mal wieder sein. Und ich war durchaus positiv überrascht. Während ich bei meinen letzten drei Besuchen das Gefühl hatte, dass sich da rein gar nichts tut, gab es dieses Mal beinahe mehr Interessantes zu sehen als auf der Techno Classica. Und leider auch das genaue Gegenteil.

In die Beliebigkeit individualisiert

Überhaupt scheint die Messe noch bunter geworden zu sein. Gut, wenn man durch die Hallen wandelt, beschleicht einen oft das ungute Gefühl, dass man schon mal an dieser und jener Stelle vorbeigekommen ist, besonders wenn man keinen Lageplan dabei hat. Das hat den Grund, dass auch dieses Jahr diverse Autos von verschiedenen Ausstellen dann doch mehr als identisch aussahen. Ist da etwa Werksspionage im Spiel oder ist man da zu sehr dem Trend hinterhergelaufen? Ich tippe auf Letzteres. Gerade und ganz besonders war es bei den kommerziellen Ausstellern der Fall, dass die Karren teilweise sehr beliebig daherkamen und auf Fotos nur durch die Werbebeschriftung zu unterscheiden sind. Darum erspare ich euch die auch.
Ich sag mal nicht was mir zu diesem Ding eingefallen ist. Toll find ichs nicht.

Die echte Show machen die Enthusiasten

Dicke Titten, Klamotten, die für viel kleinere Personen geschneidert worden zu sein scheinen, Dubstep und bunte Lichter. Das sind die kommerziellen Stände. Will man aber wirklich etwas zu sehen bekommen, etwas, wo Ideen, Visionen und Kreativität drin steckt, dann hat man nur die Möglichkeit, das Stockwerk zu wechseln und zu den Privatleuten zu gehen. Oben, in den Hallen 8.1 und 9.1 waren diverse Clubs anzutreffen. Außerdem der eine oder andere Teilehöker und Werkzeugfachmann. Besonders interessant sind die Stände der Clubs, die hier aufschlagen.
Gut, der Rod gehört genau wie der Van zu einem Shop. Sie waren trotzdem eine wohltuende Abwechselung.

Zum Beispiel der Saab Club. Ein wunderschöner 96er im Rallyetrimm und ein eher dezent aufgemachter 900 Turbo. Da war die Mehrleistung an sich nur durch den Ölkühler zu erahnen. An die Saableute: Entschuldigt nochmal, dass ich eure halbe Standdeko bei meinem kleinen Unfall umgeworfen habe.

Ratten im Keller

Jeder, der nicht das erste Mal auf der EMS ist, weiß, dass man für den richtig heißen Scheiß in den Untergrund gehen muss. In die berüchtigte Halle 1A . Bei Ausstellern eher verschmäht, weil sich relativ wenig Messebesucher hierher verirren, bei sachkundigen Gästen hingegen beliebt. Und so war auch der Keller wieder mein erklärtes Ziel des Tages. Besonders da ich wusste, dass sich 14 Ratten dorthin verirrt hatten.

Ganz ehrlich? Die Jungs waren die beinahe einzigen, die sich wirklich Mühe mit der Standgestaltung gegeben haben. Das sage ich nicht, weil ich ohnehin Sympathie zu dieser Clique hege. Das müssen sogar Leute anerkennen, die Ratten komplett über finden.
Wie es typisch für die Scene ist, wurde mit Müll und Schrott nur so um sich geworfen. Die Dachgärten gediehen in voller Pracht, ebenso der Rost am Golfradlauf. Aber es machte auch einfach Spaß, sich die ganzen Details genauer anzusehen. Ebenfalls als positiv anzusehen ist der realistische Querschnitt der ausgewählten Fahrzeuge. Diverse Golf 2 und 3 sowie ein Trabant von den Hood Ridern, etwas Luftgekühltes aus Wolfsburg und ein Mini von den Kultblechleuten. Es fehlte an sich nur ein 3er BMW von den Kings of Cruising.
Auch der Rest der Katakomben war töfte. Viel kultiges Altblech, schön und verbastelt. Allerdings mit Qualität. Auch wenn vieles nicht unbedingt meinen Geschmack getroffen hat, war es toll zu sehen, was die Leute an Hirnschmalz in ihre Vehikel investieren.

Gamers paradise

Computerspiele sind schon lange in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und spätestens, seit es LCD-Bildschirme gibt, gehören sie auch beim Autotuning zum guten Ton. So fand man an jeder Ecke die Gelegenheit zu zocken, einen Simulator zu betreten oder eben Autos, die das Gamerherz höher schlagen lassen. Etwa ein Lupo mit mit einem halben weiteren Lupo als Anhänger, der zum Gamingtempel umgebaut wurde. Die perfekte Lösung, wenn das Autotreffen ins Wasser fällt oder die anderen Leute einem am Arsch vorbei gehen.

Driften bis der Arzt kommt

Dann gab es natürlich noch die Driftstrecke für die, welche ein Auto nicht nur in „Gran Tourismo“ unter Kontrolle halten können. Leider waren die ganze Zeit derartig dichte Menschentrauben um die Driftfahrzeuge gedrängt, dass es keine reelle Chance auf ein anständiges Bild gab. Dafür habe ich in einem ruhigen Moment mal die Offroadkisten abgelichtet. Die waren mit meine Lieblinge des Tages. Zweckmäßig, stabil, brutal und zudem ziemlich cool.
Für einen Blick über den Tellerrand hat sich das ganze auf jeden Fall gelohnt. Und zur Essen Motor Show gehören eben nicht nur die Autos, Dubstep oder Fleischbeschau. Da gehören auch die Leute dazu. Und das war auch ganz großes Kino.
 Text und Bilder: CW

 Der Polo vom Chef

Während ich ganz professionell bei Instantcappucino, selbst gedrehten Kippen und einem leiernden Cash-Tape hier sitze und diesen Text schreibe, denke ich mir, dass genau das die Essenz dieses Polos sein könnte. Endlich habe ich eine Textidee! Ach ja. Es geht um den Wagen des Chefs von Bamako Motors. 

 

Den Charme einer Sparkassenfiliale Mitte der 90er. Allerdings etwas runtergekommen und in das Jetzt gerettet, ohne einmal ernsthaft gestrichen worden zu sein. Es gibt so viele grandiose Beschreibungen für diesen wunderschönen Polo. Aber diese gefällt mir richtig gut.
Da hat man gleich ein Bild vor Augen und muss sich unwillkürlich ein Gähnen verkneifen. Auch dieses leichte Unwohlsein, welches einen beim betreten dieser muffigen Einrichtungen beschleicht, ist direkt vorhanden. Dabei tut man dem Auto unrecht. Hmm, naja. So wirklich unrecht tut man ihm nicht.
Dank Gasanlage ist der Polo vom Cheffe mindestens so temperamentvoll wie die frustrierte Mittvierzigerin hinter dem Bankschalter unserer fiktiven Sparkassenfiliale. Und er versteht sich genau so gut im Geld sparen. Die Tankrechnung zaubert dem Headquarter zwar nicht gerade ein Lächeln ins Gesicht, immerhin handelt es sich um eine Rechnung, sie sorgt aber für weit weniger Sorgenfalten als bei Superbenzin. Da das Auto ein Kilometerfresser ist und täglich genutzt wird, muss das auch so sein.
Eine sichere Bank ist das Steilheck ohnehin. Technisch befindet es sich in einem ziemlich guten Zustand und dank volkswagenseitiger Rostvorsorge steht es auch noch gut im Blech. Ich, als eher Richtung Schweden oder Rüsselheim gepolter Mensch, muss das ja auch mal neidlos anerkennen. Golf 2 oder eben Polo 2 sind wirklich sehr dankbare Autos und gehören mit zu dem besten, was Langzeithaltbarkeit angeht. Und es tut nur ein ganz bisschen weh, das zuzugeben.
Für den Fall, dass da doch mal was zu Bruch geht, hortet der Besitzer genug Ersatzteile um sich mindestens einen weiteren Polo zusammenzuschweißen. Bitte wörtlich nehmen. In den Katakomben der Bamako Motors Doppelgarage lagert der Legende nach ein in Einzelteile zerflextes weiteres 86c Steilheck. Sicher ist sicher.
 Das dachte sich auch das Headquarter und verbesserte kurzerhand den Rostschutz um geschätzte 1000 weitere Lebensjahre. Fluid Film und Perma Film sei dank!
Das der weiße Wolfsburger im Vergleich zu den restlichen Bamako Karren sehr dezent daher kommt fällt schon wieder auf. Er ist schlicht das Arbeitstier und keine Showkarre. Dabei sah er zwischenzeitlich wesentlich rattiger aus und wurde schließlich zurück gerüstet. Der Grund ist auch hier wieder die gesteigerte Alltagstauglichkeit. Fällt man weniger auf, kommt man auch ungestörter von A nach B. Und man muss im Daily ja auch nicht immer im Mittelpunkt stehen. Original ist das Auto trotzdem nicht. Die fette Beule im rechten Seitenteil, notdürftig geflickt mit dem, was gerade an Farbe da war, stammt vom Vorbesitzer und hat natürlich weitere Euros bei der Anschaffung eingespart.
Als Bastler kann man selbstredend nicht alles original lassen. Darum ist das Innere auch den Bedürfnissen angepasst. Käferlenkrad, verlängerter Schalthebel und Käferknauf. Außerdem ist der Beinfahrersitz rausgeflogen. Wer braucht den schon? Dafür hat man nun viel mehr Ladekapazität oder wahlweise genug Platz für den selbst gemachten Cupholder.

Wer weiß. Eventuell wird die Kiste ja mal so ein Experiment nach dem Motto „Wie lange lebt ein Auto?“ und er sieht auch in zwei Dekaden noch so aus wie jetzt. Ähnlich wie bei diesen Angestellten in den Geldinstituten, bei denen man sich nach jedem Besuch wundert, dass die schon mindestens 30 Jahre wie 50 aussehen.


Text/Bilder: CW
Gegengelesen von Simon